Vorbemerkung
Der Aufwärtstrend beim Weißstorch hält unvermindert an. Nach 30 Brutpaaren im vergangenen Jahr hat es einen nochmaligen Zuwachs um drei Paare gegeben. Man muss schon 60 Jahre zurück schauen, um auf ähnliche Bestandszahlen im Gebiet der heutigen Region Hannover zu stoßen. Die Ursachen für diese positive Entwicklung in den vergangenen 20 Jahren basieren vor allem auf dem Erstarken der Westzieher mit einhergehenden Änderungen im (Jahres-) Verhalten. Die Ostzieher stagnieren im Bestand. In Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg gehen die Paarzahlen sogar zurück - gebietsweise um > 30 %.
Die zunehmende Verlagerung des Winterquartiers von Westafrika in den südfranzösisch-iberischen Raum bedeutet, dass durch die kürzeren Zugwege die Verluste vergleichsweise geringer sind. Des Weiteren haben junge Westzieher ihren Sommer-Lebensraum nach Norden verlagert. Während sie früher die ersten drei bis fünf Lebensjahre in Afrika oder im mediterranen Raum verbracht haben, tauchen sie jetzt immer häufiger schon im April als Zweijährige bei uns auf. Die Mehrzahl von ihnen vagabundiert in kleineren und größeren Trupps herum. Andere bilden sogenannte Verlobungspaare mit saisonaler Nestbindung ohne ernsthaft zu brüten. Einige brüten auch schon und das durchaus erfolgreich. Einige wenige wiederum machen als Störer den Brutpaaren das Leben schwer wie z.B. in Burgdorf, Wedemark-Meitze oder Uetze-Hänigsen.
Ob die Bestandsentwicklung auch zu tun hat mit den massiven „anthropogenen Hilfen“ durch Zucht und Auswilderung oder (Zu-)Fütterung vor allem im südwestlichen Mitteleuropa in den zurück liegenden Jahren oder aber eventuell auch mit dem Klimawandel in Verbindung steht, kann vermutet werden, ist aber (noch) nicht zweifelsfrei zu beurteilen.
Es ist nicht einfach, eine Prognose zur weiteren Entwicklung abzugeben. Bei einem Weitstreckenzieher wie dem Weißstorch sind die Umweltbedingungen in den Durchzugsgebieten und im Winterquartier von besonderer Bedeutung. Ihr konkreter Einfluss auf den Bestand ist aber schwierig einzuschätzen.
Im heimischen Brutgebiet siedeln die Brutpaare nach wie vor entlang der größeren und kleineren Fließgewässer (s. Karte). Sie sind damit deutlich abhängig vom (Feucht-)Grünland im Überschwemmungsbereich. Aber längst nicht alle Paare haben hier gute Nahrungsbedingungen. Einige siedeln auf z.T. pessimalen Standorten. Ob sich vor allem die Neugründungen stabilisieren können, wird die Zukunft zeigen und in erster Linie das Angebot an „storchfähigem“ Lebensraum.
Rückkehr und Horstbesetzung
Das Bokeloher Brutpaar ist erneut nicht gezogen. Diese winterharten Störche haben auch die mehrwöchige Starkfrostperiode im Februar unter Nutzung der Kolenfelder Deponie gut überstanden. Sie waren mit fünf aufgezogenen Jungen sogar das erfolgreichste Paar in der Brutsaison 2012.
Die Westzieher trafen am Ende der Forstperiode Ende Februar ein (1. Storch am 26.02. in Immensen). Zwischen dem 04. und 09. März kam das Gros der Brutvögel an. Bis Mitte
März waren dann mehr als die Hälfte aller Nester besetzt. Die Rückkehr der Ostzieher erfolgte ab der letzten Märzdekade und zog sich hin bis Anfang Mai. Mitte Mai waren 33 Nester besetzt – drei mehr als 2011.
Neugründungen sind für Langenhagen-Altenhorst und in Neustadt-Basse und Neustadt–Dudensen zu verzeichnen. Eine Wiederbesetzung nach 14-jähriger Pause gab es in Neustadt-Welze sowie nach 11 Jahren in Uetze-Obershagen. In Isernhagen-HB hat das Paar erneut nicht ernsthaft gebrütet – vom Verhalten her ein typisches „Verlobungspaar“. Eine ähnliche Situation gab es in Burgwedel-Wulfshorst im Hastbruch.
„Tragisch“ ist das Jahr für den Ringstorch CZ - YY 504 verlaufen. Dieser Vogel, der 2008 im > 450 km entfernten Prisovice /Liberec in NO-Tschechien beringt worden ist, hatte 2011 erfolgreich in Neustadt-Mecklenhorst gebrütet (2 Junge). In diesem Jahr war das Nest bereits besetzt, als er am 27. April mit seiner Partnerin eintraf. Auch nach heftigen Kämpfen konnten die beiden den Horst nicht zurück erobern. Sie hielten es sich danach noch mehrere Tage im benachbarten Neustadt-Suttorf auf, um dann ab dem 06. Mai in Neustadt-Dudensen noch mit einer Brut zu beginnen, die allerdings ohne Nachwuchs blieb.
Brutverlauf und Bruterfolg
Die Überwinterer in Wunstorf-Bokeloh und einige der früh heimgekehrten Westzieher (alle Paare im Raum Garbsen-Wunstorf und das Paar in Neustadt-Wulfelade) hatten bereits Ende März ihre Gelege komplett. Nach 30 bis 32 Tagen sind ihre Jungen dann Ende April / Anfang Mai geschlüpft und entsprechend schon Anfang Juli ausgeflogen.
Über den Bruterfolg beim Weißstorch entscheiden das Nahrungsangebot und die Witterung der Saison, aber natürlich auch die biologische Fitness der Eltern (Bruterfahrung).
Nahrungsengpässe hat es in diesem Jahr nicht gegeben. Das zeigen u.a. die Vierer-Bruten in Garbsen-Schloß Ricklingen, Wunstorf-Luthe und Wunstorf-Idensen, vor allem aber die fünf Junge in Wunstorf-Bokeloh (s. Karte). Weniger günstig war das Wetter für die exponiert sitzenden jungen Nesthocker. Bei den Mitte Mai bis Mitte Juni geschlüpften Jungen haben vor allem die Eisheiligen, aber auch die Schafskälte jeweils verbunden mit Dauernässe und (Nacht-)Temperaturen unter + 10 °C ihren Tribut gefordert. Die Jungenzahlen sind durch die Witterung z.T. drastisch reduziert worden.
In 6 Nestern gab es immerhin noch drei Junge. 8 Paare zogen zwei Junge auf und 6 Paare hatten nur einen Jungvogel. In 9 Nestern (27 % aller Bruten) sind gar keine Jungen groß geworden. Insgesamt sind 57 Junge ausgeflogen – 10 weniger als im Vorjahr. Das sind im Schnitt 1,73 Junge pro Paar. Das ist ein Wert, der etwas unterhalb des langjährigen Mittels von 1,8 liegt.
So bleibt das Fazit für das Storchenjahr 2012: ein sehr guter Paar-Bestand, aber eine weniger gute Reproduktion.
Dr. Reinhard Löhmer