Tomaten selber anbauen - leicht gemacht

Tipps zum Tomatenanbau im Hausgarten und auf Balkonien
vom Verein zur Erhaltung der Nutzpflanzenvielfalt und BUND Region Hannover

Die gleichnamige Broschüre "Tomaten selber anbauen" ist in einer aktualisierten Version mit vielen Fotos beim BUND als Broschüre erhältlich oder bei Versand gegen Erstattung der Versandkosten  (44 Seiten DINA5, farbig).  Wir bedanken uns bei der Niedersächsischen BINGO Umweltstiftung für die Förderung des Drucks. Mit dieser Broschüre wollen wir die Erhaltung alter Tomatensorten und die Saatgutgewinnung interessierten Hobby-Gärtner*innen leicht verständlich nahe bringen. 

Durch die Fusion von großen Agrar- und Saatgutkonzernen in den letzten Jahren wird der Saatgutmarkt noch mehr monopolisiert und die alten Sorten sind damit immer mehr in Gefahr. Doch wir alle können durch den Anbau von samenfesten alten Sorten, wie Roter Heinz, Beymes Erntesegen, Haubners Vollendung, Lämpchen oder Harzfeuer-Auslese, diesen genetischen Schatz bewahren und ihn geniessen!


Zur Geschichte der Tomate - alte Sorten neu belebt

Solanum Humboldtii - Wildtomate, die von Alexander von Humboldt beschrieben wurde.

Tomaten gehören zur Pflanzenfamilie der Solanaceen (Nachtschattengewächse) und zur Gattung Lycopersicon. Ihre wilden Urformen sind meist kleinfrüchtig (10 bis 15 mm Durchmesser). Einige Wildarten haben einen bitteren Geschmack und einen hohen Solaningehalt. Ihre Heimat sind die Trockengebiete im westlichen Südamerika (Kolumbien, Ekuador, Peru, Chile, Galapagos Inseln) vom Küstenstreifen bis in die Anden. Bereits vor der Entdeckung ihres Kontinentes durch die Spanier haben die Ureinwohner Mittel- bis Südamerikas Tomaten in Kultur genommen. Sie schufen durch Auslese zufällig entstandener, größerer Mutationen die Vorläufer unserer heutigen Kulturformen, die mit den Seefahrern im 16. Jahrhundert nach Europa gelangten. Noch heute sind solche Bauerntomaten in vielen Länder Lateinamerikas zu finden; beispielsweise in Guatemala, Honduras, Peru, Mexiko und Bolivien. Einige solche indigenen Kultursorten sind auch auf der Sortenliste von VEN und BUND zu finden wie die Reisetomate Guatemala, Bauerntomate Honduras, Peruanischer Beutel, Oaxan Jewel und Bolivianische Obsttomate.

Der von den europäischen Botanikern verliehene Gattungsname „Lycopersicon“ bedeutet in Griechisch soviel wie Wolfspfirsich; ein eher gefährlich anmutender Name. Die Tomate wurde noch lange nach ihrer Einfuhr in Europa - wie viele andere Nachtschattengewächse - für eine giftige Frucht gehalten und deshalb nur als Zierpflanze in fürstlichen Gärten gehalten. Später, als ihre Essbarkeit bewiesen war, erhielt sie den Artnamen „esculentum“, was essbar bedeutet.

Unter den südamerikanischen Kulturformen befanden sind wahrscheinlich auch Gelbfrüchtige. Diese gelangten vermutlich vor den Rotfrüchtigen nach Italien. So beschrieb 1544 der Botaniker Pietro Andrea Matthioli die Pflanze zunächst als Pomi d'oro (Goldapfel) und bis heute heißen Tomaten in Italien pomodori. Mit der Bevorzugung der roten Formen in vielen europäischen Ländern wurde sie bei uns früher Liebesapfel und in Österreich Paradeiser genannt. Diese Bezeichnung hat sich in Österreich bis heute gehalten. Die Italiener waren die ersten in Europa, die Tomaten in der Küche nutzten. Überliefert ist, dass der furchtlose Amerikaner Robert Gibson Johnson im Jahr 1840 in Salem, New Jersey, auf der Treppe eines öffentlichen Gebäudes vor den Augen aller eine rohe Tomate verspeiste (Quelle: Waverly Root: Enzyklopädie der kulinarischen Köstlichkeiten).

Mit Entdeckung der Essbarkeit in der Alten Welt wurde im ausgehenden 19. Jahrhundert begonnen, die Tomate in einigen europäischen Ländern systematisch zu züchten. In vielen Ländern rund um den Globus ranken sich Traditionen und Wissen um den Wert und die Nutzung vieler verschiedener Sorten. Weltweit sind bis heute mindestens 10.000 Kultursorten entstanden.

Tomaten sind gesund

Galapagos Tomatenart "Lycopersicon Cheesmanii"

Tomaten sind reich an verschiedenen Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen und damit sehr gesund. Die Qualität der Tomaten ist von der Anbaumethode abhängig. In biologisch angebauten Tomaten stecken doppelt so viele Flavonoide wie in konventionell gezogenen. Flavonoide gelten als wirksamer Zellschutz. Zehn Jahre lang verglichen Agrarwissenschaftler konventionell und ökologisch erzeugte Tomaten miteinander. Die Forscher der University of California in Davis kamen zu dem Ergebnis, dass die Bio-Früchte fast doppelt so viele Flavonoide aufwiesen wie die konventionellen: 79 Prozent mehr Quercetin und 97 Prozent mehr Kämpferol. Die beiden Flavonoide sind sich chemisch sehr ähnlich und wirken antioxidativ, indem sie aggressive Sauerstoffverbindungen einfangen, die so genannten freien Radikale. Diesen Zellschutz bieten die Pflanzenstoffe auch dem menschlichen Organismus. Flavonoiden wird daher ein Schutz vor Krebs und butdrucksenkenden Eigenschaften zugeschrieben. Warum höhere Konzentration an schützenden Stoffen in Bio-Tomaten sind, erklären sich die Wissenschaftler mit der Art der Nährstoffversorgung dieserr Pflanzen. Während konventionell erzeugte Tomaten von stickstoffreichem Dünger profitieren, müssen Bio-Früchte sich mit dem natürlichen Angebot des Bodens an Nährstoffen begnügen. Um sich selbst vor einem Stickstoffmangel zu schützen, produzieren die ökologisch gezogenen Tomaten deshalb besonders viele sekundäre Pflanzenstoffe.

Die Farbe von gelben, roten und dunklen Tomaten wird durch das Karotenoid Lycopin bedingt. Lycopin wirkt ebenfalls stark antioxidativ. Während des Reifeprozesses der Tomaten wird es insbesondere in den äußeren Schichten der Frucht angereichert. Da Lycopin tief verankert in den Zellen sitzt, wird es bei der Nahrungsaufnahme besser verfügbar, wenn die Tomaten gekocht, zu Pastasauce oder Ketchup verarbeitet werden.

Besondere Widerstandsfähigkeit ...

... haben einige der Wildtomaten aus den Anden. Die Früchte sind sehr klein und oft sehr aromatisch. Viele kleinfrüchtige Cocktailtomaten haben die Widerstandsfähigkeit einiger Wildtomatenarten geerbt, da sie züchterisch aus diesen entwickelt wurden. Daher eignen sich diese vor allem für den Freilandanbau, denn in den feuchten kühlen Sommern unserer Breite ist die Kraut- und Braunfäule (Phytophthora infestans), die neben der Tomate auch die Kartoffel befällt, zur wahren Plage geworden.

Hundertprozentig resistente Sorten gibt es nicht, aber einige wenige Kultursorten zeigen eine beachtenswerte Toleranz und Regenerationsfähigkeit gegenüber Phytophtera-Pilzen. Durch sorgfältige Auslese von Früchten zur Saatgutgewinnung von besonders widerstandsfähigen einzelnen Pflanzen lassen sich so auch die eigenen Haussorten optimieren. Es ist – wie immer in der Natur – ein ständiger Wettkampf von Pflanze und Parasit (hier Pilz) – um das Überleben. Anders als bei gentechnisch veränderten Tomaten, denen beispielsweise nur ein „Resistenz-Gen“ gegen Pilzbefall eingebaut wurde, haben alte Sorten ein großes Spektrum an solchen Resistenz-Genen, um sich gegen negative Einflüsse zu schützen. Diese können durch gezielte Auslese lebendig erhalten und optimiert werden.

Saatgutgewinnung bei Tomaten

Tomatensamen sind mit einer Gallerte umgeben, die keimhemmende Substanzen enthält: Sie verhindert, dass die Samen bereits im Innern der Früchte keimen. Um schnell keimendes Saatgut zu bevorraten, müssen diese keimhemmenden Substanzen abgebaut werden. Für den Erhalt einer Sorte werden die vollreifen, gesunden Früchte des ersten Fruchtstandes benötigt. Die Samen dieser Früchte werden in ein Schraubglas gegeben und mit etwas Wasser bedeckt je nach Temperatur 2 bis 4 Tage stehen gelassen. Innerhalb kurzer Zeit beginnt die Masse zu gären, wodurch sich die gallertartige Samenhülle mit den keimhemmenden Substanzen mit Bläschen durchsetzt und nach oben steigt. Dabei kann ein leichter Schimmelbefall auf der Oberfläche auftreten und gehört zu den normalen Abbauprozessen. Wenn die Samen im Glas nach unten sinken und sich von der vergorenen Schicht trennen, ist es Zeit, die Samen mit Hilfe eines Siebes mit klarem Wasser abzuspülen und auf ein Stück Papier 2 bis 3 Wochen zu trocknen (keine Küchenrolle). Das so gewonnene Saatgut behält bei sachgemäßer Lagerung (kühl, dunkel und trocken in einem verschlossenen, mit Sortenbezeichnung und Erntejahr beschrifteten Gefäß wenigstens 5 Jahre seine Keimfähigkeit. Die häufig praktizierte Samengewinnung ohne Vergärung sollte nur bei ganz kleinen Portionen für den Eigenbedarf angewandt werden.

Anzucht, Pikieren, Auspflanzen und Wässern von Tomaten

Ausgesät wird einfach auf einer möglichst sonnigen Fensterbank etwa ab März in Aussaaterde. In jedes Töpfchen sollten nicht mehr als 2 bis 3 Samenkörner gelegt werden. Die kräftigste Pflanze bleibt stehen und kann nach ca. 2 Monaten in einen größeren Pflanztopf pikiert werden. Dabei werden die Pflänzchen tiefer, mindestens bis zum Ansatz der Keimblätter in die Erde gesetzt. Vorher wird die Wurzelspitze ein wenig abgekniffen, um eine gut verzweigte Wurzelbildung anzuregen.

Die Pflanzen benötigen nun für eine gute Entwicklung Nährstoffe und Spurenelemente, d.h. wir versorgen die Pflanzen mit Komposterde, vermengt mit Gesteinsmehl (fördert Widerstandskraft), bei besonders stark zehrenden Sorten noch etwas Algenkalk. Beim Kauf von Blumenerde sollte auf torffreie oder stark torfreduzierte (Regional-) Erde erworben werden zum Schutz der letzten europäischen Hochmoore. 

Nach den Eisheiligen  (Mitte Mai) werden die Tomatenpflanzen in unseren Regionen in einen großen Kübel oder direkt in die Gartenerde gepflanzt; ins Gewächshaus schon im April. Beim Pflanzen sollte 1/2 bis 3/4 des Stiels möglichst schräg in die Erde eingesetzt werden. Dadurch bildet sich ein  größerer Wurzelballen und die Pflanzen gedeihen kräftiger. Das Pflanzloch wird mit Kompost, Tomatendünger, Gesteinsmehl und ggf. etwas Holzasche (Kalilieferant für gute, haltbare Früchte) vermengt. Auch Terra Preta-Dünger ist ideal. Tomaten sind sehr wärmebedürftig und brauchen deshalb unbedingt einen sonnigen Standort. Oft werden wir gefragt, ob sie auch im Schatten wachsen. Gegossen wird im Freiland möglichst nur bei der Pflanzung und im Anfangsstadium, damit sie tiefe Wurzeln bilden. Dann können sich die Pflanzen im Freiland gut selbst versorgen und werden; vorausgesetzt der Boden hat eine gute Wasserhaltefähigkeit. Ansonsten gilt: lieber intensiv einmal pro Woche am Fuß der Pflanze gießen, wenn erforderlich, ohne die Blätter der Pflanze nass werden zu lassen (Vorbeugung gegen Pilzbefall). So werden die Früchte auch aromatischer.

Kübelpflanzen benötigen häufiger, vor allem morgens Wasser. Fingerspitzengefühl im Umgang mit Wasser benötigen Pflanzen im Gewächshaus. Bei zu viel Feuchtigkeit ist die Gefahr des Pilzbefalls recht groß. Neben der Krautfäule tritt dann oft die Samtfleckenkrankheit auf. „Weniger ist mehr“ heißt die Devise. Erst wenn die Pflanzen morgens schlapp sind, sollten sie gewässert werden.

Düngung & Stärkung von Tomatenpflanzen gegen Krankheiten

Das Düngen mit Brennnesseljauche (verdünnt im Verhältnis 1:20) ist nur in den ersten Wochen etwa bis Ende Juni empfehlenswert, da die Brenneseljauche viel Stickstoff enthält und neben dem Wurzelwachstum vor allem die Blattbildung anregt. Brennnesseln versorgen darüber hinaus die Pflanze mit Kieselsäure und stärken sie gegen Pilzkrankheiten. Es gibt auch spezielle Tomatendünger für den biologischen Anbau. Grundsätzlich brauchen Tomaten mehr Kali als Stickstoff. Ab Juli kann mit verdünnter Beinwelljauche (1:20) gegossen werden (etwa alle 3 bis 4 Wochen). Zum Düngen geeignet sind auch die getrockneten und verbrannten Pflanzen vom Vorjahr, da sich in der Asche Kali und andere wertvolle Mineralien angereichert haben.

Mitmachen bei der Erhaltung der Nutzpflanzenvielfalt

Wer sich an der Erhaltung der Sorten, die im Handel nicht erhältlich sind, beteiligen will, kann mitmachen in der Fachgruppe Tomaten vom VEN - Verein zur Erhaltung der Nutzpflanzenvielfalt. 

In der Region Hannover können sich Interessierte auch an den BUND wenden: smw@nds.bund.net Wir erhalten u.a. alte Sorten auf einem Acker in Pattensen oder bei der Gemeinschaftsgärtnerei, dem  Verein Acker Pella in Langenhagen.



Arbeitsgruppe Garten naturgemäß

Kontakt: Sibylle Maurer-Wohlatz
smw@nds.bund.net
und Astrid Groß, Susanne Leibold, Sibylle Maurer-Wohlatz über Geschäftsstelle

Treffen:
nach Vereinbarung in einem Garten eines Mitglieds der Arbeitsgruppe
Mehr über die Arbeitsgruppe erfahren Sie auch unter:

Suche