Andererseits sind auch positive Entwicklungen zu vermelden. Die Stadt Hannover hat im „Maßnahmenprogramm zur Freiraumentwicklung in den Landschaftsräumen Hannovers“ mit einer Vielzahl großer und kleiner Einzelprojekte versucht, die Artenvielfalt zu fördern. Einige Maßnahmen waren sehr erfolgreich, zum Beispiel auf dem Kronsberg die Neuentwicklung von Kalkmagerrasen mit Hilfe von Saatgutübertragung aus der näheren Umgebung. Die Ergebnisse mancher anderer Projekte sind noch enttäuschend, so etwa auf der Breiten Wiese, wo artenreiches Feuchtgrünland entwickelt werden sollte, was bisher misslungen ist. Anzuerkennen ist aber in jedem Fall, dass die Stadt es als eigene Verpflichtung ansieht, aktiven Naturschutz zu betreiben. Bekräftigt wurde diese Position im Herbst 2005 mit dem Beschluss, ein Biodiversitätsprogramm für das Stadtgebiet aufzulegen.
Als ein Fazit der Misserfolge und Erfolge des Naturschutzes in Hannover kann gezogen werden, dass „Natur der vierten Art“, etwa in den Fällen Südbahnhof oder Langenhagen-Barracks, bisher am wenigsten gegen Bauprojekte verteidigt werden konnte. Die Stadtplanung beruft sich dabei auf den Leitsatz, dass es ökologisch besser sei, innerstädtische Brachen zu bebauen als Äcker am Stadtrand zu opfern. Dieser Vorrang der „Innenerschließung“ vor der „Außenerschließung“ wird aber durch die Ergebnisse der Untersuchungen zur Natur in der Stadt längst nicht mehr gestützt. Zwar ist der Wunsch nachvollziehbar, Brachen wieder wirtschaftlich zu nutzen; erschreckend ist aber die Tabula-rasa-Mentalität, mit der bunte und artenreiche Gehölz- und Ruderalvegetation abgeräumt wird, statt sie zumindest in nennenswerten Teilen im Baugebiet zu integrieren. Erst recht gibt es in Hannover kaum Ansätze, größere städtische Brachflächen planungsrechtlich abzusichern. Während traditionelle Grünflächen, die mehr oder weniger ein symbolisches Abbild der Landschaft außerhalb der Stadt darstellen, allgemeine Wertschätzung genießen, wird die „spezifisch städtische, erst durch die Stadtentwicklung entstandene und von ihr abhängige Natur von den meisten Stadtbewohnern nicht als ‚wirkliche Natur der Stadt’ erkannt“ (KOWARIK 1992). Hier ist ein Umdenken überfällig.
Literatur
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Dieser Beitrag erschien zuerst 2006 in der Jubiläumsausgabe des HVV-Info, der Zeitschrift des Hannoverschen Vogelschutzvereins von 1881 e. V.
Alle Fotos: Georg Wilhelm (außer Wilde Tulpe, Foto von Sibylle Maurer-Wohlatz)