Die Frage ist berechtigt und in der Tat ist es prinzipiell die Position der BUND-Kreisgruppe, dass in den stadteigenen hannoverschen Wäldern eine Holznutzung nur da stattfinden müsste, wo sie aus Gründen der Erholungsnutzung und wegen spezieller Naturschutzziele notwendig ist. Das wären vor allem Flächen entlang der Wege, die ja aus Gründen der Verkehrssicherungspflicht nicht sich selbst überlassen werden können, außerdem halbnatürliche, schutzwürdige Waldtypen wie alte Eichenwälder auf Standorten, wo die Eiche gegen die überlegene Buche verteidigt werden sollte und schließlich naturfremde Forsten, die in naturnähere Wälder umgewandelt werden sollen. Ansonsten könnten die Waldflächen der eigenen, natürlichen Entwicklung überlassen werden.
Leider besteht in Niedersachsen aber nach dem Waldgesetz die Verpflichtung, zumindest den größten Teil jedes Waldes zu bewirtschaften, um den Holzmarkt zu beliefern. Anders als z.B. in Nordrhein-Westfalen, wo Wälder zu Erholungswäldern ausgewiesen werden können, dürfen sich die Eingriffe in den Wald nicht darauf beschränken, die Wege zu sichern und einen für Erholung und Naturschutz wertvollen Zustand zu erhalten. Wie absurd dieser Zwang zur Holzproduktion sein kann, auch wenn er noch so unwirtschaftlich ist, wird gerade an den hannoverschen Stadtwäldern deutlich, wo die Einnahmen aus Holzverkäufen nur rund 3 Prozent der Kosten für die Waldbewirtschaftung decken (Haushaltsansatz 2009).
Ein Anteil von zehn Prozent Waldfläche ohne Holznutzung ist unter den Bedingungen der stadteigenen hannoverschen Wälder als Kompromiss zu verstehen. Dieser Anteil ist für die deutschen Wälder vielfach von Naturschutzseite gefordert worden, unter anderem von den Bundesorganisationen der großen deutschen Umweltschutzverbände, neben dem BUND auch von NABU, Greenpeace, Robin Wood und WWF sowie der Dachorganisation deutscher Naturschutzverbände, dem Deutsche Naturschutzring. Der Öko-Zertifizierer Naturland hat diesen Bezugswert in die Zertifizierungs-Richtlinien zur ökologischen Waldnutzung aufgenommen.
Der lange Weg zu den Naturwaldflächen
Aus diesen Gründen versuchte die BUND-Kreisgruppe seit etwa 1990 die Verwaltung davon zu überzeugen, geeignete Flächen mit alten Baumbeständen ganz aus der Holznutzung zu nehmen. Anfang 1993 wollte Umweltdezernent Hans Mönninghoff dann einen Schlussstrich unter die Diskussion ziehen und fällte eine Entscheidung: Eine einzige sogenannte „Altholzparzelle" sollte ausgewiesen werden, und zwar in der nördlichen Eilenriede.
Dies war für uns nicht viel mehr als ein erster Schritt. Deshalb stellten wir im Sommer 1993 zusammen mit dem Hannoverschen Vogelschutzverein (HVV) unser Konzept "Mehr Natur im Stadtwald" vor. Ein wichtiger Teil dieser Arbeit war der Entwurf eines Systems von Altholzparzellen, die zusammen etwa ein Zehntel der Stadtwaldfläche ausmachen sollten. Es handelte sich um naturnahe Bestände, die mindestens eine Baumlänge vom nächsten Weg entfernt lagen, so dass kein Problem mit der Verkehrssicherungspflicht und keine Einschränkung der Erholungsnutzung entstehen würde. Nach zahlreichen Orts- oder Gesprächsterminen mit verschiedenen Behörden und Gremien, Vorträgen, Briefen, Presseerklärungen, öffentlichen Führungen und einer Anhörung im Umweltausschuss beschloss die rot-grüne Ratmehrheit auf Initiative der Grünen, dass die Stadtverwaltung einen Plan zur Ausweisung von Altholzparzellen vorlegen sollte.
Das Konzept, das die Verwaltung daraufhin entwarf und für das der Umweltdezernent in der folgenden Zeit sehr engagiert warb, sah die Ausweisung von sieben Altholzparzellen auf insgesamt 40 Hektar Fläche vor. Was die Flächengröße betraf, war der Plan in unseren Augen eher halbherzig, zumal in den Bereichen entlang der Wege weiterhin Bäume gefällt werden sollten.
Ideologisch verbohrte Verbände?
Der Streit, der sich dann vor unseren Augen abspielte, hätte mit seinen zahlreichen Wendungen, Intrigen, Winkelzügen und vor allem mit seinen unendlich vielen Folgen eine Vorlage für eine Seifenoper abgeben können. Unterhaltsam konnten wir ihn allerdings nicht finden. Von der Mehrzahl der Fraktionen wurde das Konzept nicht einmal ansatzweise sachlich diskutiert und schon gar nicht als Chance gesehen, neue Wege einzuschlagen und ein Beispiel für andere Städte zu geben. Stattdessen wurden die Altholzparzellen als bloße Munition für die üblichen politischen Grabenkämpfe begriffen. CDU, FDP und WfH, aber auch einzelne Behördenvertreter, malten ein Schreckensgemälde an die Wand, wonach die Eilenriede in Zukunft ganz oder teilweise eingezäunt würde. An unsere Adresse gerichtet äußerte die CDU gegenüber der Presse, es sei "beschämend, dass einige ideologisch verbohrte grüne Verbände im Zusammenspiel mit dem Umweltdezernenten" die Hannoveraner aus dem Wald aussperren wollen. Währenddessen war die SPD in dieser Frage uneins und konnte sich zu keiner Meinung durchringen.