Gebietsheimische Gehölze - Was unterscheidet sie von heimischen Gehölzen?

Im Zusammenhang mit Anpflanzungen in der freien Natur werden oft Begriffe wie gebietseigen oder gebietsheimisch, autochthon oder einheimisch
verwendet. Für das weitere Verständnis soll an dieser Stelle eine kurze Definition der einzelnen Begriffe erfolgen.

Heimisch werden Pflanzensippen genannt, die in dem betreffenden Gebiet natürlicherweise vorkommen (Indigene). Sie sind von den nicht einheimischen Sippen abzugrenzen, die aufgrund direkter oder indirekter Mithilfe des Menschen in ein Gebiet gelangt sind. Nach dem Zeitpunkt des ersten spontanen Auftretens vor bzw. nach 1492 (“Entdeckung” Amerikas durch Christoph Kolumbus) werden diese in Archäo- und Neophyten unterteilt.[1]

Eingriffliger Weißdorn (Crataegus monogyna), Foto: Georg Wilhelm
Eingriffliger Weißdorn (Crataegus monogyna), Foto: Georg Wilhelm

Autochthone Sippen bilden eine Teilgruppe der Indigenen. Der Begriff „autochthon“ stammt aus dem griechischen und steht für „alteingesessen“, „bodenständig“, „am Ort entstanden“.

Für die Pflanzen bedeutet das, dass sie dann als autochthon bezeichnet werden können, wenn sie spontan in einem Gebiet entstanden sind und ihre gesamte Entwicklung in diesem Gebiet stattfand. Für Mitteleuropa ist diese Definition problematisch, da Europa bis vor 10.000 Jahren zu großen Teilen mit Eis bedeckt war und die meisten Pflanzen, die heute in Mitteleuropa vorkommen, aus eisfreien Gebieten eingewandert sind. Diese Pflanzen sind also nicht spontan in Mitteleuropa entstanden, sondern haben sich zumindest teilweise in anderen Regionen entwickelt.

Aufgrund der geschilderten Problematik ist der Begriff “autochthon” im Zusammenhang mit der Verwendung einheimischer Gehölze bei Pflanzungen zu ungenau und zu missverständlich. Stattdessen wird in wissenschaftlichen Kreisen seit einiger Zeit der Terminus “gebietseigen” oder „gebietsheimisch“ verwendet. Diese Begriffe sind synonym. Es wird deshalb im Folgenden nur noch von gebietsheimisch gesprochen. Pflanzen sind gebietsheimisch, wenn sie eine Anzahl von Kriterien erfüllen, die sich zusammengefasst folgendermaßen darstellen lassen:

Als gebietsheimisch werden Pflanzen bzw. Sippen bezeichnet, die aus Populationen einheimischer Sippen stammen, welche sich in einem bestimmten Naturraum über einen langen Zeitraum in vielen Generationsfolgen vermehrt haben und bei denen eine genetische Differenzierung gegenüber Populationen der gleichen Art in anderen Naturräumen anzunehmen ist.[2]

Zweigriffliger Weißdorn (Crataegus laevigata), Foto: Georg Wilhelm
Zweigriffliger Weißdorn (Crataegus laevigata), Foto: Georg Wilhelm

Mehr Artenvielfalt durch gebietsheimische Gehölze

Im Rahmen von Pflanzmaßnahmen werden in Deutschland jährlich Millionen heimische Gehölze als Hecken- und Flurgehölzpflanzungen in die freie Landschaft verbracht. Grundsätzlich ist dies zu begrüßen, zumal in vielen privaten Haus- und Vorgärten und auch in Forsten in den letzten Jahrzehnten immer mehr exotische Gehölze Einzug nehmen, die scheinbar pflegeleicht, jedoch für den Naturschutz – vor allem für unsere heimische Vogelwelt - völlig wertlos sind! Als Beispiele sind die asiatischen und amerikanischen immergrünen Koniferen zu nennen, die als Sichtschutz in Neubaugebieten sehr beliebt sind. Von ihnen profitiert kaum eine Insektenart und diese wiederum sind Lebensgrundlage für eine Vielzahl bedrohter Vogel- und Fledermausarten sowie für Kleinsäuger!

Kreuzdorn (Rhamnus catharticus), Foto: Georg Wilhelm

Hingegen ist ein heimisches Gehölz wie die Haselnuss (Corylus) wertvoll für 112 Insekten- und 10 Vogelarten! Andere Beispiele sind der heimische Hartriegel (Cornus) mit einem Nahrungsangebot für 32 Insekten- und 24 Vogelarten sowie der heimische Weißdorn (Crataegus) mit einem Angebot für 163 Insekten- und 32 Vogelarten. Exotische Gehölze wie beispielsweise Ginkgo, Forsythie und Thuja werden hingegen von Insekten gemieden.

Aber auch heimische Gehölze gedeihen nicht immer optimal; denn oft stammen sie aus weit entfernt gelegenen Regionen (Hasel mit Herkunft Türkei oder Sizilien). So werden in großer Stückzahl heimische Gehölzarten, jedoch gebietsfremder Herkünfte verbreitet, die an Boden und Klima nicht angepasst sind. Außerdem beeinträchtigen solche Gehölze bei massenhaften Pflanzungen die biologische Vielfalt hiesiger seit Jahrhunderten angepasster Varianten derselben Art. Gerade diese Vielfalt unterhalb der Artebene hat ein großes, durch lange Zeiten entstandenes Anpassungspotential an eine Region. Um diese natürliche Vielfalt zu erhalten, sollten möglichst – bei größeren Pflanzungen, aber auch im eigenen Garten - heimische Gehölze aus gebietsheimischer Herkunft verwendet werden.

Naturschutzrecht und internationales Biodiversitätsabkommen

Nach dem Bundesnaturschutzgesetz gibt es die Pflicht, Maßnahmen zu ergreifen „...um die Gefahren einer Verfälschung der ... Pflanzenwelt ... durch Ansiedlung oder Ausbreitung von ... Pflanzen gebietsfremder Arten abzuwehren.“ Dies soll vor allem die Ausbringung invasiver exotischer Arten verhindern. Als Beispiele hierfür sind der Japanische Knöterich (Fallopia japonica), das Drüsige Springkraut (Impatiens glandulifera) und der Riesen-Bärenklau (Heracleum mantegazzianum) zu erwähnen, die auch in der Region Hannover bereits angefangen haben, sich flächendeckend auszubreiten unter Verdrängung aller anderen Pflanzen, beispielsweise entlang der Leine. Deshalb sollte aus Sicht des BUND die Pflanzung solcher Exoten auch im eigenen Garten unterbleiben, denn die Gefahr der Auswilderung in die freie Landschaft ist sehr groß und oft Ursache für solche Invasionen gewesen!! Im strengen Sinne stellt auch die Verbreitung nicht gebietsheimischer Gehölze derselben Art eine Verfälschung der regionalen Biodiversität dar. Grundlage des Naturschutzrechts ist die 1992 in Rio de Janeiro beschlossene „Übereinkunft zur Erhaltung der biologischen Vielfalt“.

Warum gebietsheimische Gehölze pflanzen?

Es gibt eine Vielzahl guter Gründe für eine Verwendung von gebietsheimischen Gehölzen bei Anpflanzungen in der freien Landschaft, aber auch im Garten. Sie sind wirtschaftlicher, da die Anwachsraten erheblich größer sind als von nicht gebietsheimischen Gehölzen und der Schädlingsbefall ist deutlich geringer. Diese Ergebnisse können auch von Gehölzpflanzungen der Landeshauptstadt Hannover mit gebietsheimischer Herkunft bestätigt werden. Der (produktionsbedingte) höhere Anschaffungspreis von Gehölzen gebietsheimischer Herkunft amortisiert sich schnell durch geringere Ausfälle, kräftigeren Wuchs und weniger Nachpflanzungen.

Um die biologische Vielfalt zu erhalten, ist aus Sicht des Naturschutzes die Verwendung gebietsheimischer Gehölze von großer Bedeutung. Vor dem Hintergrund der sich immer schneller ändernden Umweltbedingungen (Klimawandel) ist eine ausreichend große genetische Anpassungsfähigkeit einer Art für diese überlebenswichtig. Große Populationen gebietseigener Gehölze verfügen über einen umfangreichen Genpool mit vielen verschiedenen genetischen Variationen. Pflanzengesellschaften verändern sich dynamisch durch die Veränderung von Verbreitungsarealen. Hier tritt die Selektion als natürlicher Motor für die Anpassung in Erscheinung: Das bedeutet, die Population kann damit schon in der folgenden Generation durch Verschiebung von Genhäufigkeiten auf wechselnde Bedingungen reagieren, ohne dass es zu Mutationen oder dem Aussterben einer Art kommen muss. Kleine Populationen hingegen haben weniger Anpassungspotentiale.

Eine weitere Bedrohung der genetischen Vielfalt von Gehölzen besteht darin, dass sich etablierte, gebietsheimische Arten mit eingeführten, gebietsfremden Arten kreuzen (Hybridisierung). Diese Hybridisierung kann vor allem bei gleichen Blühzeiträumen erfolgen und hat den Verlust von etablierten und angepassten Gehölzen zur Folge. Die immer stärkere Gefährdung des Holzapfels und der Wildbirne sind Beispiele für diesen Vorgang.

Die unterschiedlichen Pflanzenarten und ihre speziell angepassten Sippen sind in jeder Region Bestandteil eines komplexen, eingespielten Ökosystems. Dieses fragile Gebilde kann durch die Einbringung von Gehölzen gebietsfremder Herkunft massiv gestört werden. 

Bezugsquellen gebietsheimische Gehölze in der Region Hannover

Schneeball (Viburnum opulus), Foto: Georg Wilhelm
Schneeball (Viburnum opulus), Foto: Georg Wilhelm

In den letzten Jahren wurden einige Gehölzbestände in der Region Hannover als aus naturschutzfachlicher Sicht garantiert gebietseigene Gehölze
identifiziert. Diese werden seit Ende der 90er Jahre von der städtischen Baumschule in Hannover beerntet, dort angezogen und für Pflanzungen in Stadt und Region Hannover eingesetzt.

Ein kommerzieller Anbieter von gebietseigenen Gehölzen ist uns in der Region bisher noch nicht bekannt. Da die von der städtischen Baumschule angezogenen Gehölze für Pflanzungen der öffentlichen Hand vorgesehen sind, ist ein Verkauf an Privatpersonen nicht möglich. Aber anerkannte Naturschutzverbände können für Pflanzungen diese „Regio-Gehölze“ auf Anfrage beziehen. Eine Ausnahme ist die gemeinsame Aktion von BUND  und Fachbereich Umwelt und Stadtgrün entlang den Hannoverschen Pflanzentagen im Mai, wo auch private Gartenliebhaberinnen und Gartenfreunde diese Gehölze erstehen können.

Liste Gebietsheimische Gehölze - Städtische Baumschule 2011 (Hannover)

 

Name

Gattung

Art

Herkunft

Feldahorn

Acer

campestre

Höversche Kippe/ Bockmer Holz

Hainbuche

Carpinus

betulus

Höversche Kippe/ Bockmer Holz

Haselnuss

Corylus

avellana

Misburger Wald

Zweigriffeliger Weißdorn

Crataegus

laevigata

Kronsberg

Eingriffeliger
Weißdorn

Crataegus

monogyna

Kronsberg/Benthe

Pfaffenhüttchen (giftig)

Euonymus

europeus

Bockmer Holz

Wildapfel

Malus

sylvestris

Bockmer Holz

Schlehe

Prunus

spinosa

Bockmer Holz

Kreuzdorn

Rhamnus

catharticus

Höversche Kippe

Faulbaum

Rhamnus

frangula

Höversche Kippe

Wildrose

Rosa

canina

Kronsberg

Purpur-Weide

Salix

purpurea

Misburg

Holunder

Sambucus

nigra

Große Heide (Isernhagen-Süd)

Feldulme

Ulmus

carpinifolia

Gaim

Gewöhnlicher Schneeball

Viburnum

opulus

Höversche Kippe

 

Fachberatung zu sowie Anzucht gebietsheimischer Gehölze

Landeshauptstadt Hannover - Fachbereich Umwelt und Stadtgrün 

  • Ansprechpartner: Ulrich Schmersow, Langensalzastr. 17, 30169 Hannover  Tel.: (05 11) 168 - 4 38 39
  • Anzucht Baumschule: Reinhard Hermann, Zur Stadtgärtnerei 10, 30657 Hannover Bothfeld, Tel.: (05 11) 168 - 4 83 16

 


[1]  Vgl.: Kowarik, I. & Seitz, B.: Perspektiven für die Verwendung gebietseigener („autochthoner“) Gehölze

[2Vgl.: www.gebietsheimische-gehoelze.de/flyer.pdf

BUND Flyer zum Downloaden

Der Flyer "Verwendung von gebietsheimischen Gehölzen in und um Hannover" hier als Download.

Der Flyer "Rezepte für die Verwendung von Wildfrüchten heimischer Gehölze" hier als Downlaod.



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