Artenschwund: Alarmstufe rot

Mehr als 700 Stechimmenarten sind in Niedersachsen nachgewiesen, darunter 341 Wildbienenarten. Doch ein Viertel davon ist bereits verschollen oder akut vom Aussterben bedroht. Der Artenschwund ist alarmierend. Nur bei knapp 30%  leuchtet gegenwärtig noch nicht die Alarmstufe rot. Reiner Theunert nennt in der Roten Liste für Niedersachsen und Bremen folgende Ursachen für den Niedergang der Wildbienen:

  • Beseitigung von Abbruchkanten, Hecken, Rainen, Böschungen, Brachland
  • Abmähen von Rainen und Nutzung als Wendefläche beim Ackern
  • Umbruch von Viehweiden zu Ackerland
  • Kunstdüngereinsatz in der Landwirtschaft ("Hochleistungswiesen")
  • Aufgabe und Abholzen alter Hochstamm-Obstkulturen
  • Zuschütten von Steinbrüchen und Bodenabbaustätten
  • Überalterung und Verbuschung von Heiden (fehlende Schafbeweidung)
  • Asphaltieren, Betonieren oder Verschottern von Sand- und Lehmwegen
  • Aufgabe blütenreicher Bauern- und Siedlungsgärten
  • Abreißen alter Häuser mit Lehmgefachen
  • Einsatz von Pestiziden zur Vernichtung von Wildkräutern oder Insekten
  • Entfernung von Totholz in Wäldern, Feldgehölzen, Hecken und Obstwiesen
  • Kollision mit Autos (besonders bedroht: pollenbeladene Hummelköniginnen!)
  • Nahrungskonkurrenz durch Honigbienen (Wanderimkerei)

Viele tödliche Gefahren

Milben - eine von vielen tödlichen Gefahren
Es gibt noch Schlimmeres als Milben

Die Aufzählung macht deutlich: Es wird immer enger für die Wildbienen! Besonders für jene Arten, die von einer Blütenart abhängig sind und keine Überlebenschance haben, wenn ihre einzige Nahrungsquelle versiegt; zumal ihr Flugradius oft nur wenige hundert Meter beträgt. Aber auch die Wildbienen, die weniger spezialisiert und "wählerisch" sind, finden in unseren monotonen Agrarsteppen und den rasenbetonten, zugeschotterten, lebensfeindlichen Einheits"gärten" nicht mehr genügend Nistmöglichkeiten und Nahrung. Und wenn es eh schon eng wird, kommt der Konkurrenzdruck durch das massenhafte Auftreten von Honigbienen noch erschwerend hinzu.

Die tierischen Feinde sind jedenfalls nicht das Hauptproblem. Der Honigbienen-Parasit Varroamilbe (Varroa destructor) beispielsweise vergreift sich nicht an Wildbienen, und auch der Bienenwolf (Philanthus triangulum) stürzt sich ausschließlich auf Honigbienen. Bienenkäfer (Trichodes apiarius) verursachen bestenfalls minimale Verluste. Und Dachse, Füchse oder Marder spüren  nur vereinzelte Hummelnester auf.  Selbst eine Spinnenattacke muss nicht immer tödlich enden, wie die nachstehenden Fotos zeigen. 

Gegen natürliche Feinde gibt's immer noch eine kleine Chance

Die Zitterspinne hat ihr Opfer gut verpackt...
ein Entkommen scheint ausgeschlossen
Doch plötzlich ergibt sich doch eine Chance...
und die kleine Löcherbiene strampelt sich frei

Endlich ein Hoffnungsschimmer durch politische Beschlüsse?

Doch was sind schon Parasiten und Fressfeinde im Vergleich zum Verlust an Lebensräumen, Nahrungsgrundlagen und Nistmöglichkeiten?! Zumal die immer kleiner und artenärmer werdenden Restflächen meist mit tödlichen Pflanzenschutzmitteln "behandelt" sind, speziell mit Glyphosat und den massenhaft eingesetzten Neonicotinoiden, mit denen weltweit mehr als 120 verschiedene Nutzpflanzenarten flächendeckend und vorbeugend behandelt werden. Für zahllose Wildbienen das Todesurteil. Seit dem 27. April 2018 gibt es wieder etwas Hoffnung, nachdem sich die EU endlich zu einem Freilandverbot der Neonicotinoide durchgerungen hat; in Gewächshäusern bleibt die Anwendung mit Einschränkungen weiterhin erlaubt.

Auch die Bundesregierung macht endlich mehr Druck: Am 20. Juni 2018 beschloss das Bundeskabinett die Eckpunkte für ein „Aktionsprogramm Insektenschutz“, das vom Umweltministerium bis 2019 fertiggestellt und mit 5 Millionen € jährlich gefördert werden soll. Danach soll unverzüglich mit den Maßnahmen begonnen werden. "Wir sind uns in der Bundesregierung einig", heißt es wörtlich, "in welchen Bereichen wir handeln werden, um das Insektensterben zu stoppen. Dazu gehört ein grundsätzlich restriktiverer Umgang mit Pestiziden, nicht nur mit Glyphosat. Wir brauchen zudem mehr Vielfalt in der Landschaft: Hecken und blütenreiche Wiesen statt Monokulturen sind überlebenswichtig für Insekten, Vögel und viele andere Tierarten."


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