Geheimnisvolle Fauna - Zauneidechsen in Niedersachsen

Zauneidechse, männlich, Foto: Karsten Lange
Zauneidechse, weiblich, Foto: Karsten Lange

Zauneidechsen müssten eigentlich Sandeidechsen heißen, erläutert die Biologin und Zauneidechsen-Expertin Ina Blanke den interessierten Zuhörern im Freizeitheim Lister Turm bei ihrem Vortrag über das Leben der Tiere. In unseren Nachbarländern werden sie tatsächlich so genannt, weil sie ihre Eier überwiegend in sandigen Böden ablegen. Der Name Zauneidechse hingegen verweist auf die bevorzugte Besiedelung von Grenzstrukten hin.

Die Zauneidechse (Lacerta agilis) hat als typische Zeichnung auf dem Rücken die "Autobahnlinie"; die Männchen sind im Frühjahr seitlich grün, die Weibchen sind bräunlich. Sehr alte Männchen sind intensiv grün und auf den ersten Blick leicht mit Smaragdeidechsen zu verwechseln. Es gibt auch eine rotrückige Farbvariante bei Zauneidechsen. Wenn Zauneidechsen Gefahr droht oder sie sich erschrecken, bleiben sie im Gegensatz zu den scheuen Waldeidechsen häufig liegen oder laufen nur ein Stück fort, wobei ihnen ihre gute farbliche Anpassung an die natürliche Umgebung als Tarnung hilft.

Zauneidechsenpaar, Foto: Karsten Lange
Zauneidechsenpaar, Foto: Karsten Lange

Kulturfolger auf der Roten Liste

Wie wichtig die Erhaltung der letzten Lebensräume der netten und seltenen Tiere ist, wird deutlich, wenn wir den Rückgang der Art verfolgen. Während die Zauneidechse früher als Kulturfolger galt, wird sie heute in der Roten Liste als gefährdet geführt.

Reitgras als Lebensraum

Veränderungen des Landschaftsbildes durch steigenden Flächenverbrauch und die Intensivierung der Landwirtschaft drängen die Zauneidechsen kontinuierlich zurück. In Niedersachsen wird der Rückgang auf 25 bis 35 Prozent im letzten

Jahrhundert geschätzt. Heute besiedeln die Tiere unter anderem Heideflächen und Halbtrockenrasen, Abbaugruben und die Randbereiche von Verkehrswegen. Die Erhaltung und gegebenenfalls die Pflege solcher Lebensräume ist für die Tiere überlebenswichtig! Aufgrund der heimlichen Lebensweise der Tiere wird die Besiedlung jedoch häufig übersehen. Auch die Besiedlung neuer Lebensräume durch Zauneidechsen erfolgte und erfolgt vorzugsweise über Verkehrswege wie alte Bahntrassen. Ideal sind Bahntrassen mit angrenzendem Ödland, auch stillgelegte Trassen.

Reitgras als Lebensraum Ina Blanke stellt schmunzelnd fest, dass es manchmal zwischen Botanikern und Biologen sehr unterschiedliche Bewertungen bestimmter Arten gibt: So wird das Land-Reitgras (Calamagrostis epigaeius) vom Vegetationskundler in der Regel als uninteressant abgetan, dagegen ist es für den Reptilienschutz, speziell für die Zauneidechsen, höchst wertvoll. Das Land-Reitgras baut abgestorbene Polster auf und hier im toten Gras halten sich die Zauneidechsen am liebsten auf, weil es ideal zum Sonnen ist und ihnen Schutz und Deckung bietet. Sie besiedeln zum Schlafen und Überwintern gerne Mäuse- und Kaninchenlöcher.

Ausgeklügelte Temperaturstrategien

Zauneidechse, Foto: Karsten Lange
Zauneidechse, Foto: Karten Lange

Als wechselwarme Tiere regulieren Eidechsen ihre Körpertemperaturen dadurch, dass sie gezielt Bereiche mit ihnen zusagenden Temperaturen aufsuchen. Daher sind vielfältig strukturierte Lebensräume besonders günstig für Reptilien. Wenn die ersten Sonnenstrahlen wärmen, sitzen die Tiere gerne vor dem Bau und lassen sich aufheizen. Ein bevorzugter Sonnenplatz ist Totholz, denn Tau und Regen trocknen hier schnell ab, das Material isoliert gut und gewährt den Tieren interessante Ausblicke auf Beute und Artgenossen. Ausreichend erwärmte Eidechsen sind beweglicher und schneller, sie können sich nun anderen Tätigkeiten wie beispielsweise der Nahrungssuche widmen. Schutz vor Überhitzung finden sie im Schatten von Gebüschen, in feuchteren Bereichen oder auch durch den Rückzug in ihren Bau.

Keine Kostverächter

Zauneidechsen fressen die Beutetiere, die in ihren jeweiligen Lebensräumen häufig vorkommen. Sie sind keine Kostverächter und nehmen alles, was schmeckt. Gerne fressen die Tiere Heuschrecken; nur Asseln mögen sie nicht. Die Eidechsen müssen im Sommer Energievorräte für den Winter und die kräftezehrende Fortpflanzungszeit im Frühjahr anlegen. Der Schwanz ist ein wichtiger Fettspeicher. Eine Eidechse ohne Schwanz wird deshalb Probleme haben, über den Winter zu kommen. Aber der Schwanz kann auch lebensrettend sein. Er wird bei Gefahr aktiv abgeworfen. Nach dem Abwerfen bewegt sich der Schwanz noch eine Zeit lang und lenkt so Verfolger ab.

Rüdes Paarungsverhalten

In der Paarungszeit geht es scheinbar hart zu: Bei ritualisierten Kämpfen beißen sich die Männchen kräftig in den Hinterkopf. Der sogenannte Paarungsbiss dient dazu, die Stimmungen von Männchen und Weibchen zu koordinieren.

Die Paarungen erfolgen überwiegend im April und Mai. Im Laufe des Sommers folgen die Eiablagen. Die Weibchen legen ihre Eier nachts ab, wobei sie mühsam Höhlen in den Sand graben. Das Ausbrüten der Eier übernimmt die Sonne. Wenn alles gut geht, sind ab Mitte August Schlüpflinge zu beobachten. Nach der Eiablage ist das Weibchen entkräftet und eingefallen. Wenn dann der Sommer kalt und regenreich wird, sterben entkräftete Weibchen im folgenden Winter, weil sie sich nicht von der Eiablage ausreichend erholen konnten und die Zeit nicht für die Anlage genügender Fettvorräte reichte.

Zauneidechse, Foto: Georg Wilhelm
Zauneidechse, Foto: Georg Wilhelm

Winterschlaf schon im August

Zauneidechsen suchen ihre Winterquartiere auf, sobald sie ausreichende Energievorräte für die Überwinterung anlegen konnten. Bei den Männchen ist dies meist schon im August zu beobachten. Die Weibchen müssen sich zunächst von der kräftezehrenden Eiablage erholen und ziehen sich daher erst im September zurück.

Methusalem lebte 15 Jahre!

Die Schlüpflinge warten am längsten mit dem Winterschlaf und können oft im Oktober noch beobachtet werden.Nach der zweiten Überwinterung sind Zauneidechsen geschlechtsreif. Hier stellt sich die Frage, wie alt Zauneidechsen eigentlich werden können. Das Rekordalter betrug immerhin 15 Jahre!

Im Durchschnitt werden die Tiere nur zwei bis drei Jahre alt, maximal vier bis fünf Jahre. Zauneidechsen sind gut zu erfassen und über längere Zeit zu beobachten, weil sie relativ ortstreu sind. Die Beobachter müssen allerdings viel Zeit mitbringen, denn nicht immer kommen die Tierchen aus ihren Schlupflöchern heraus - und warum das so ist, ist ein unerforschtes Geheimnis.

Ina Blankes Botschaft an alle Interessierten: Damit auch in Zukunft Eidechsen eine Chance haben, ist der Schutz ihrer Lebensräume wie Sandgruben und Bahndämme ein besonderes Anliegen des Tierartenschutzes und des BUND. Deshalb ist es wichtig, Beobachtungen von Eidechsen und anderen Reptilien dem Niedersächsischer Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN ) im Rahmen des Niedersächsischen Tierartenerfassungs-Programms zu melden.

Sibylle Maurer-Wohlatz

Mehr Infos:

http://www.reptilien-brauchen-freunde.de/lacagi.html



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