Über Jahrhunderte hat die züchterische Arbeit von Menschen eine reiche Artenvielfalt von Nutzpflanzen hervorgebracht. Dieses bäuerliche Kulturerbe ist in Gefahr: Seit 1900 sind laut FAO weltweit 75 Prozent der Kulturpflanzensorten ausgestorben; in Europa sogar mehr als 90 Prozent! Deshalb setzt sich der BUND nicht nur für die Erhaltung der Artenvielfalt der wilden Flora und Fauna ein, sondern auch für die Erhaltung der Kulturpflanzenvielfalt. Im Gegensatz zu den modernen Hochleistungssorten haben sehr viele alte Landsorten eine genetische Vielfalt mit Eigenschaften, die für die Ernährungssicherheit von zentraler Bedeutung sind. Sie sind anpassungsfähiger an den Klimawandel und verfügen über breite Resistenzen gegen Schädlinge. Deshalb erleben wir ein steigendes Interesse an dieser Vielfalt und einige alte Sorten werden sogar wieder für die Regionalvermarktung angebaut. Die Erhaltung der Biodiversität wilder Arten ebenso wie die von Kulturpflanzen hat durch die auch von Deutschland unterzeichnete internationale Biodiversitäts-Konvention auch einen rechtlichen Rahmen bekommen. Die Erhaltung von Nutzpflanzenressourcen wird im FAO-Saatgutvertrag geregelt.
Hauptursachen für den Rückgang der Nutzpflanzenvielfalt sind die agroindustrielle Land- und Gartenbauwirtschaft und die Konzentration der Saatgutproduktion und Patentrechte auf Saatgut in den Händen weniger meist internationaler Konzerne. Alte Sorten entsprechen zudem nicht mehr den sog. DUS-Kriterien für die Zulassung nach dem EU-Sortenrecht, wodurch u.a. festgelegt wird, dass eine Sorte homogen sein muss, also einheitlich und zur gleichen Zeit abreifen muss. So bleiben alte, oft bewährte Sorten in einer Nische, allerdings dank des Drucks europäischer Verbraucher*innen- und Saatgutinitiativen mit der Möglichkeit der Zulassung in der EU als sog. Amateursorte. Leider ist auch dies mit Kosten verbunden und nicht für alle unsere alten Sorten möglich und deren Erhaltung bleibt in unserer Verantwortung regional und europaweit.
Aufgrund der Monopolisierung der Saatguterzeugung spätestens seit Ende des 2. Weltkrieges und aufgrund des strengen Sortenrechts ist im Handel, also in Gartencentern und Supermärkten, mit wenigen Ausnahmen nur ein stark sortenreduzierte Einheitssaatgut erhältlich. Die Vermehrung wird meist am anderen Ende der Welt vorgenommen, um es hier preiswert zu verkaufen. Es ist also nicht an unsere Böden und unser KLima angepasst. Das Sortenschutzrecht verbietet zudem den Nachbau von patentiertem Saatgut. Darüber hinaus wäre dies auch garnicht möglich, denn oft handelt es sich um nicht samenfestes F1-Hybrid-Saatgut, das durch Kreuzung verschiedener Linien gezüchtet wurde und sich beim Nachbau wieder in verschiedene Linien aufspaltet.
Noch bis in die 1950er Jahre wurde vielerorts bei uns Saatgut von samenfesten Sorten für den Eigenbedarf gewonnen, von einer Generation an die nächste gegeben oder über den Zaun dem Nachbarn gereicht. Dieses Saatgut wurde durch Auslese von Jahr zu Jahr immer optimaler an die regionalen Boden- und Klimaverhältnisse sowie Ernährungsgewohnheiten angepasst. Dieser kulturelle und genetische Schatz hat uns eine reiche Sortenvielfalt an Getreide, Gemüse und Obst beschert, vom dem zumindest ein Teil dank einiger passionierte Erhalter*nnen lebendig gehalten wurde: Beispielsweise die „Ostfriesische Palme“, eine Grünkohlsorte, die im norddeutschen Raum lange eine große Bedeutung hatte.
Die gute Botschaft ist: Wir können ganz praktisch dazu beitragen, dass die Vielfalt wieder zunimmt, indem wir unsere Lieblingsorten anbauen und von den besten Pflanzen gezielt Saatgut gewinnen.
BUCHTIPP: "Saatgut - Wer die Saat hat, hat das Sagen". Das in 2016 erschienene Buch von Anja Banzhof, oekom Verlag, ist allen zu empfehlen, die sich in das Thema vertiefen möchten.
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